Irland Epilog

Der folgende Text ist von Dieter Grünwald verfasst worden, der im Juni 2018 an der Studienreise der ev. Kulturvereinigung nach Irland teilgenommen hat. Am Ende der Seite können Sie den Text auch als pdf-Datei herunterladen.

Irland-Epilog

Wenn ich nach unserer Irlandreise Freunden oder Bekannten erzählte, wir hatten gutes Wetter und das Essen hat gut geschmeckt, so sahen mich alle etwas merkwürdig an. Dabei war das Wetter doch wesentlich besser als die Wahnsinns-Hitze, die wir später hier in Deutschland hatten.

Und das Essen war schmackhaft und gesund. Ich erinnere mich da vor allem an die „Mashed Potatoes“, den Kartoffelpüree. Der ist neutral, der passt einfach zu allem und der ist so verträglich. Jedes Krankenhaus weiß das. Oder haben Sie dort schon einmal Pommes mit Majo bekommen?

Die Iren wissen schon, was gesund ist. Dadurch unterscheiden sie sich von den Engländern.

Sie kennen doch alle das englische Nationalgericht: Fish and chips.

Und wie heißt das irische Nationalgericht? Fisch und Kartoffelpüree.

Was mir noch auffiel: Im englischen gibt es keinen entsprechenden Ausdruck für ‚Guten Appetit‘. Der Versuch einer Umschreibung – zum Beispiel: enjoy your meal –   kann in bestimmtem Situationen sogar unpassend sein. Das stimmt mich nachdenklich.

Stolz sind die Iren auf ihren Whiskey, der schon anders geschrieben wird als der schottische oder der amerikanische: mit key statt mit ky.

Dabei ist das mit der Sprache ohnehin so eine Sache: Die Franzosen sprechen französisch, die Italiener italienisch und die Iren? Na, die sprechen englisch, das heißt, offiziell sprechen sie irisch und englisch. Und schuld daran ist, ich will nicht sagen der Kartoffelpüree, aber zumindest doch die Kartoffel beziehungsweise die Kartoffelfäule.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprach noch ein Großteil der Iren irisch. Irland war zwar von den Engländern besetzt, aber den Engländern war es ziemlich egal, wie die irischen Bauern im letzten Winkel von Irland sprachen. Wer dagegen weiter kommen wollte, der zog in den Raum Dublin, und der sollte die englische Sprache schon verstehen. Verträge zwischen England und Irland wurden ohnehin nur in englischer Sprache verfasst.

Mitte des 19. Jahrhunderts kam es in Irland zu einer nationalen Katastrophe. Durch die Kartoffelfäule kam es zu einer riesigen Hungersnot. Dass die Besatzer, die Engländer, den Iren damals nicht geholfen haben, das nehmen die Iren den Engländern heute noch übel. Wer es von den Iren schaffte – körperlich und finanziell –  , der wanderte nach Amerika aus. Und die Auswanderer schrieben an ihre Verwandten, kommt nach, aber lernt vorher englisch, dann habt ihr es hier leichter. Und so lernten die Iren englisch und nach einer Generation war den meisten Iren die irische Sprache aus dem Bewusstsein abhanden gekommen.

Heute wird noch in einigen abgelegenen Winkeln von Irland irisch gesprochen, zum Beispiel auf Achill Island, da, wo Heinrich Böll sein Ferienhaus hatte. Als wir auf unserer Fahrt Achill Island besuchten, hatten wir einen Busfahrer, der dort lebte. Ich bat ihn: „Sagen Sie doch bitte einmal ein paar Sätze auf irisch, ich würde gern einmal den Klang der Sprache hören.“ „Ach, wissen Sie“, sagte er, „meine Großeltern, die sprachen noch irisch und ich konnte das auch so einigermaßen verstehen. Aber jetzt sprechen wir zu Hause nur noch englisch.“

Nun ist die irische Sprache ja auch ein Kulturgut, das nicht untergehen sollte. Als vor gut 100 Jahren nach langem Freiheitskampf der irische Staat gegründet wurde, besann man sich auf die historischen Wurzeln und legte fest: Irland ist zweisprachig. Gesetzte, Erklärungen, usw. werden sowohl auf irisch als auch auf englisch verfasst, was heute immer wieder zu Interpretationsschwierigkeiten führt. Und alle Hinweisschilder, Ortsnamen, Straßenschilder, usw. werden immer zweisprachig aufgeführt.

Und den Schülern wurde etwas abverlangt, worunter sie heute noch ächzen: irisch wurde in den Schulen zum Pflichtfach erklärt. Nun steht die irische Sprache im Rufe, nicht gerade einfach zu sein, die Grammatik ist sehr kompliziert und die englischsprechenden Schüler finden ohnehin: mit englisch kommt man doch überall in der Welt klar. Sie werden jetzt einwenden: In Frankreich ist das nicht möglich. Ja, das stimmt, aber anderswo sollte es doch kein Problem sein.

An dieser Stelle sollten wir uns mit ein paar Zahlen beschäftigen. Irland hat knapp 5 Millionen Einwohner, davon spricht etwa ein Prozent – also 50.000 – irisch, Tendenz sinkend. 50.000 – selbst die Stadt Hattingen im südlichen Ruhrgebiet hat mehr Einwohner!

Ich habe den Eindruck: Irische Schüler müssen ihr irisches Pflichtprogramm durchführen, haben später aber kaum Gelegenheit, ihr Erlerntes anzuwenden und vergessen ihre Grundkenntnisse schnell wieder.

Irland ist auch das Land der Literaten, obwohl kaum einer von ihnen die irische Sprache benutzt hat. Irland hat immerhin vier Literatur-Nobelpreisträger.

In Sligo und Umgebung haben wir viel von dem Dichter William Butler Yeats gehört, der auch den Literaturnobelpreis erhalten hat. Seine Sprache war englisch.

Wer kennt nicht den Dichter Jonathan Swift, der Gullivers Reisen geschrieben hat? Jonathan Swift war Dekan in der St. Patrick’s Cathedral in Dublin, dort liegt er auch begraben.

Der Dichter Oscar Wilde sagte über sich, er sei im Herzen Franzose, der Geburt nach aber Ire, und von den Engländern dazu verurteilt, die Sprache Shakespeares zu sprechen. Er schrieb den Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“, die Märchen „Der glückliche Prinz“ und „Der selbstsüchtige Riese“, die oft in der Schule im Englisch-Unterricht gelesen werden. Den ‚glücklichen Prinzen‘ bitte nicht mit dem ‚kleinen Prinzen‘ verwechseln, der ist von Antoine de Saint-Exupéry.

Zurück zu Oscar Wilde: Bekannt sind auch seine Theaterstücke, zum Beispiel „Bunbury“ und „Salome“, wobei „Salome“ vor allem als Oper von Richard Strauss aufgeführt wird.

Sie kennen sicher die biblische Salome-Geschichte. Salome soll für ihren Stiefvater Herodes den Tanz der sieben Schleier tanzen, hat aber keine Lust. Daraufhin verspricht Herodes, er würde ihr jeden Wunsch erfüllen, wenn sie nur endlich tanzte. Aber sie will nicht. Er verspricht ihr jede Menge Edelsteine, aber davon hat sie schon genug. Er verspricht ihr den Vorhang zum Allerheiligsten im Tempel von Jerusalem. Einige Juden, die gerade anwesend sind, verlassen daraufhin laut schreiend den Saal. Ich liebe diese Szene, gerade in der Oper.

Aber Salome wollte auch keinen Vorhang. Sie wissen, was Salome sich wünschte? Den Kopf des Jochanaan. Am Ende des Stücks steht Johannes der Täufer ziemlich kopflos da.

„Salome“ hat Oscar Wilde übrigens auf französisch geschrieben. Das Oberhausener Theater will das Stück in dieser Saison aufführen, ich denke auf deutsch. Ich hoffe, dass der Regisseur bei der Inszenierung einen kühlen Kopf bewahrt.

Ein weiterer Nobelpreisträger: George Bernhard Shaw. Der Protestant bekam den Preis ausgerechnet für sein Schauspiel „Die heilige Johanna“. Sein Schauspiel „Pygmalion“ wurde später als Musical von Frederick Loewe ein Riesenerfolg.

Am 17. März, dem St. Patrick’s Day, feiern die Iren ihren Nationalheiligen, den heiligen Patrick. Fast genauso wichtig ist den Iren aber auch der 16. Juni, der Bloomsday.

Was ist das, der Bloomsday? Es ist wahrscheinlich der einzige Feiertag auf der Welt, der auf einen Roman zurückgeht. Es handelt sich dabei um den Roman „Ulysses“ von James Joyce. Der Titel „Ulysses“ spielt dabei auf die Irrfahrten des Odysseus an. Ulysses ist die englische Version von Odysseus.

Ich hatte einmal den Vorsatz, diesen Roman zu lesen. Nachdem ich aber in einer Bibliothek ein wenig darin geblättert hatte, wusste ich: Das liest du nie.

In der Oberhausener Kulturvereinigung habe ich doch tatsächlich jemanden getroffen, der diesen Roman von Anfang bis Ende gelesen hat. Alle Achtung!

Also, die dicke Schwarte „Ulysses“ spielt an einem einzigen Tag, dem 16. Juni 1904. Joyce beschreibt darin in 18 Episoden die (Irr-)Gänge seines Protagonisten Leopold Bloom durch Dublin. Deswegen wird der 16. Juni heute in Irland Bloomsday genannt – nach dem Romanhelden Leopold Bloom. – Leopold Bloom: klingt ein wenig wie der Oberkellner im Weißen Röss’l.

Viele Iren versuchen an diesem Tag möglichst viele der 18 Stationen in Dublin zu besuchen, die in diesem Buch aufgeführt werden. Die meisten von ihnen erreichen aber oft nur wenige Ziele, da dieser Tag meistens als Sauftour endet.

Noch ein bekannter Literat, der den Literaturnobelpreis erhalten hat: Samuel Beckett. Sein bekanntestes Werk „Warten auf Godot“ hat er auch auf französisch geschrieben.

Noch zwei Autoren, die wir nicht vergessen sollten: Dylan Thomas wurde durch sein Hörspiel „Unter dem Milchwald“ bekannt. Das Stück ist leise und poetisch. Das kommt heute nicht mehr so gut an. Zurzeit ist eher laut und grell angesagt.

Von Brendan Behan gibt es das Theaterstück „Die Geisel“, in dem IRA-Männer einen britischen Soldaten als Geisel halten, um einen zum Tode verurteilten Kampfgenossen freizupressen. In Bochum gab es einmal vor Jahren eine großartige Aufführung mit Hannelore Hoger (Bella Block) und Rosel Zech (Mutter Oberin in um Himmels Willen). Die Bühnenmusik schrieb der damals noch junge Herbert Grönemeyer.

Dylan Thomas und Brendan Behan starben früh an der irischen Krankheit. Zu viel Whiskey, zu wenig Kartoffelpüree.

Der Vollständigkeit halber: 1995 bekam Irland mit Seamus Heaney einen 4. Nobelpreisträger. Heaney war mit Leib und Seele Ire. Als ein englischer Taschenbuch-Verlag (Penguin) Werke von ihm veröffentlichen wollte, schrieb er: „Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass mein Pass grün ist. Wir haben noch niemals ein Glas erhoben, um auf die englische Königin anzustoßen.“ (grüner Pass = irisch, roter Pass = britisch)

Und einen Schriftsteller aus der Trivial-Literatur gibt es auch: Bram Stoker mit seinem berühmten Dracula-Roman.

Was die Dichtkunst anbelangt, da sollte man auch das einfache Volk nicht vergessen

Man sagt den Iren nach, dass die meisten von ihnen fromm katholisch sind. Das hindert sie aber nicht daran, sich auch über religiöse Dinge lustig zu machen.

Ein Beispiel:

It`s official: Jesus was Irish.
Jetzt ist es amtlich: Jesus war Ire.

He had twelve drinking friends.
Er hatte zwölf Trinkgenossen.

He trained as a carpenter  to work on the buildings.
Er erlernte den ZimmrtZimmermannsberuf,   um auf dem Bau zu arbeiten.

He was unemployd.
Er war arbeitslos.

He lived with his mother until he was 33.
Er lebte bei seiner Mutter bis er 33 war.

He thought his mother was a virgin.
Er dachte, seine Mutter wäre eine Jungfrau.

His mother thought he was a god.
Seine Mutter dachte, er wäre ein Gott.

So etwas kommt bei Müttern bisweilen vor.

Die Iren können aber auch ganz andere Worte finden und mit einem irischen Segen möchte ich den Irland-Epilog auch beenden.

Traditional irish blessing

May the road rise to meet you,
May the wind be always at your back.
May the sun shine warm upon your face,
the rains fall soft upon your fields,
and until we meet again,
may God hold you
in the hollow of his hand.

Irischer Segen

Möge dir dein Weg entgegenkommen,
möge der Wind immer in deinem Rücken sein.
Möge der Sonnenschein dein Gesicht erwärmen,
der Regen sanft auf deine Felder fallen.
Und bis wir uns wiedersehen
möge Gott dich schützend in seiner Hand halten.

Dieter Grünwald

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Irland-Epilog